125 Jahre Rathaus

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Wieso der Bürgermeister immer „auf dem Spiegel“ wartet

Psst: Spiegel ist nicht gleich Spiegel – das wird auf der Senatstreppe des Hamburger Rathauses klar.

Der „Spiegel“ ist ein echter Alltagsgegenstand – jede und jeder hat ihn: zu Hause, einen kleinen für unterwegs in der Handtasche, er hängt groß in Umkleidekabinen oder schmückt Cafés und andere öffentliche Räume. Der Spiegel im Rathaus ist anders. Er reflektiert nicht und hängt auch nicht an der Wand. Im Gegenteil: Auf ihm standen schon viele prominente Gäste der Stadt, wie der Dalai-Lama, Schwedens Königin Silvia, Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel oder Tennis-Olympiasieger Alexander Zverev. Im Rathaus wird nämlich im protokollarischen Sprachgebrauch der obere Treppenabsatz der prächtigen, mit rotem Teppich ausgelegten Senatstreppe als „Spiegel“ oder „Senatsspiegel“ bezeichnet.

Wenn Gäste ins Rathaus kommen, dann hat der Spiegel seinen großen Auftritt; er spielt in protokollarischen Abläufen eine wichtige Rolle. So wartet der Erste Bürgermeister immer „auf dem Spiegel“ – und nicht am Eingang des Rathauses auf seine hochrangigen Gäste. Diese Regel hat einen historischen Hintergrund und stammt aus einer Zeit, in der Senatsgäste noch zu Pferd anreisten. Hätte der Bürgermeister sie am Eingang des Rathauses abgeholt, hätten sie ihn zumindest für einen Moment überragt und als höflicher Gastgeber wäre er vielleicht sogar versucht gewesen, ihnen aus dem Steigbügel zu helfen. 

In einer Zeit, in der Symbole und Zeichen das Handeln der Menschen bestimmten, war dies für einen stolzen hanseatischen Bürgermeister undenkbar. Seit jener Zeit erwartet der Hamburger Bürgermeister seine Gäste stets oben „auf dem Spiegel“. Auch wenn heute keine Gäste mehr zu Pferde anreisen, so existiert diese Regel noch immer. Das ist auch praktisch, denn der Bürgermeister steht erhöht und behält so vor der Begrüßung den Überblick. 

Nur ein einziges Mal in der Stadtgeschichte wurde diese historische Regel gebrochen: 1965, als Queen Elizabeth II. Hamburg besuchte. Der Erste Bürgermeister Paul Nevermann ging der Queen auf der Senatstreppe entgegen und reichte ihr schon die Hand, bevor sie den Spiegel erreicht hatte. Aus protokollarischer Sicht zwar ein Regelbruch, den Hamburgerinnen und Hamburgern hatte es aber gefallen. Echte Hanseaten sind eben auch echte Gentlemen – gerade, wenn die Queen zu Besuch kommt.